Am Ende bleiben die Zedern by pierre Jarawan

Am Ende bleiben die Zedern by pierre Jarawan

Autor:pierre Jarawan [Jarawan, Pierre]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783827078650
Herausgeber: Berlin Verlag


11

Durch die Lamellen der Fensterläden fällt grell und schräg das Licht herein. Es trifft auf Stehtische und eine Bar. In den schmalen Streifen tanzen Staubkörner. An den Wänden hängen Plakate vergangener und zukünftiger Partys, die Wände werden verdunkelt von tierartigen Schatten. Es riecht nach Schweiß und Alkohol und Rauch. Der Boden klebt, überall liegen Zigarettenstummel und Plastikbecher. Eine silberne Discokugel dreht sich gleichförmig über allem.

»Wir haben vor vier Stunden geschlossen«, sagt der Mann. Er trägt ein enges schwarzes T-Shirt, ist doppelt so breit wie ich und muskelbepackt. Tiefbraune Augen, volle Lippen und ein runder Glatzkopf, der in einen Stiernacken übergeht. »Normalerweise kriegt niemand den Club so zu sehen.«

Vor ein paar Minuten standen wir noch draußen. Trotz der inzwischen leergefegten Bürgersteige war es leicht zu erkennen, dass Mar Mikhael ein Partyviertel ist: Clubs und Bars auf beiden Seiten der Straße, bunt gestrichene Häuser, Graffiti, tief hängende Girlanden. Jeder hier sieht aus wie ein Künstler, Streetartist, Musiker, Tänzer oder Feuerschlucker. Die Clubs tragen englische und französische Namen: Studio 43, Behind the Green Dor, Floyd the Dog, Electro Mechanique, l’humeur du chef. Der Rhino Night Club war nicht leicht zu finden. Von außen sah er eher aus wie ein veraltetes Jugendzentrum, bewachsen mit Efeu, bröckelnder Putz und ein schlichter Schriftzug über der Tür.

Ich klingelte drei Mal, bis der Mann erschien. Er winkte ab und deutete auf die Uhr an seinem Handgelenk: Wir haben geschlossen.

Als er sich umdrehte, klingelte ich erneut.

Geöffnete Glastür, bedrohlicher Bizeps, genervte Stimme:

»Was?«

»Ich suche Sinan Aziz.«

»Und du bist?«

»Samir El-Hourani. Das ist mein Freund Nabil.«

»Wir machen erst heute Abend wieder auf.«

»Ich muss ihn aber dringend sprechen.«

»Und ich muss dringend schlafen. Kommt heute Abend wieder.«

»Sind Sie Sinan Aziz?«

»Nein.«

»Ist er da?«

»Er empfängt keine Gäste. Schon gar nicht um diese Zeit.«

»Können Sie ihm ausrichten, dass ich hier bin? Vielleicht macht er eine Ausnahme.«

Hochgezogene Augenbrauen, skeptischer Blick.

»Warum sollte er?«

»Ich habe diese Karte.«

Schallendes Gelächter wie ein Gewitter.

»Soll das ein Witz sein?«

»Warum?«

»Das ist die Visitenkarte des Clubs. Die liegt überall rum.«

»Ich habe sie aber in Zahlé bekommen.«

»Gut möglich.«

»Von meiner Großmutter. Sinan Aziz hat ihr die Karte persönlich gebracht.«

Kurze Pause.

»Was soll ich ihm sagen?«

»Sagen Sie ihm, der Sohn von Brahim Bourguiba möchte ihn sehen.«

Der Club ist größer, als es von außen den Eindruck macht. Nicht sehr breit, aber dafür weit nach hinten reichend wie eine U-Bahn-Röhre. Der Mann führt uns über die Tanzfläche an einer kleinen Bühne vorbei. Auf dem Boden liegen Kabel und anderes technisches Equipment.

»Freitags ist Live-Musik«, sagt er.

Wir biegen in einen schmalen Gang, vorbei an den Toiletten. Auf der Tür des Männerklos steht Rhinos auf der anderen Rhinas. Am Ende des Ganges befindet sich eine Treppe, an deren oberen Ende eine weitere Tür zu sehen ist.

»Geht einfach hoch«, sagt er Mann. »Das ist sein Büro.«

Als wir eintreten, ist das Licht schummrig. Die Vorhänge sind zugezogen, eine kleine Lampe taucht den Schreibtisch in sepiafarbenes Licht. Meine Augen brauchen einen Moment in der Dunkelheit. Im dämmrigen Lampenschein hinter dem Schreibtisch sitzt eine dunkle, massige Gestalt. Ich höre sie atmen.

»Sinan Aziz?«, frage ich.

»Kommen Sie rein«, sagt die Gestalt. Es klingt dröhnend wie aus einer Schlucht, unnatürlich tief und hallend.



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